Der Flieger nach Ägypten startet um 20 Uhr, einchecken ist spätestens um 18 Uhr. Da Frankfurt mit dem Zug schon eine Ecke weg ist, starten wir um 16 Uhr. Alles ein bisschen knapp und mit der freundlichen Durchsage, dass die Bahn 35 Minuten Verspätung hat, wird es nicht besser.
Die Frau am Check-in verkündet uns, dass wir ja sooo viel Glück haben. Das Flugzeug sei wie immer überbucht, aber obwohl wir die Letzten in der Schlange sind, dürfen wir trotzdem noch mitfliegen. Ich bedanke mich bei ihr, dass ich die Reise, für die ich gutes Geld bezahlt habe, aufgrund ihrer unglaublichen Großzügigkeit auch tatsächlich antreten kann. Ihr professionelles Lächeln gefriert auf dem stark geschminkten Gesicht.
Die Airline heißt Small Planet und ist mir, genau wie der Name unserer Reisegesellschaft 5 vor 12 gänzlich unbekannt. Ein Hoch auf das Internet und seine Möglichkeiten.
Der Flieger ist winzig und die Namensaufschrift in bunten Farben lässt ihn erst recht wie ein Spielzeug wirken. Im Inneren findet eine Zeitreise statt, auf die mich niemand vorbereitet hat. Die Stewardessen tragen Faltenröcke und Blusen mit Mustern aus den 70ern. Der Polyesterstoff sieht aus, als könne er mich mittels bloßer Berührung durch den nachfolgenden elektrischen Schlag ohne Zwischenstopp nach Ägypten katapultieren. Keine Ahnung, wo sie die stark glänzenden Strumpfhosen aufgetrieben haben, die man hierzulande nur noch an Fastnacht für den Gardetanz verwendet.
Als ich der Flugbegleiterin bezüglich meines Platzes eine Frage stelle, weist sie mich darauf hin, dass in Flugzeugen grundsätzlich englisch gesprochen wird. Obwohl sie kaum größer ist als ich, wirkt ihr Blick, als schaue sie auf mich herab. Ihr Tonfall suggeriert professionell distanzierte Hochnäsigkeit. Lernt man das auf der Stewardessenschule? Das will ich ebenfalls können! Denn obgleich ich für gewöhnlich ein freundlicher Mensch bin, gibt es doch Situationen, wo ich gerne auf so eine Herablassung zurückgriffe.Um der Façon Genüge zu tun, wiederhole ich mein Ansinnen auf Englisch. Und um ganz sicher zu gehen auf Französisch und Spanisch und sehe vergnügt zu, wie auch hier die Fassade bröckelt.
Die Fluggesellschaften haben ein Frauenbild, das Mitte des letzten Jahrhunderts stecken geblieben zu sein scheint. Die Kleidung, Rock und Bluse, kann am positivsten mit adrett beschrieben werden, dazu übertriebenes Make-up und straff gezurrte Hochsteckfrisuren. Und, am schlimmsten, die Schuhe. Ausgeschnittene Pumps mit einer unbequemen Absatzhöhe von mindestens fünf Zentimetern und das bei einem Job, der ständiges Laufen erfordert. Dabei dürfen die Damen (das Wort Frauen kommt mir bei diesen Wesen erst gar nicht in den Sinn) ein bestimmtes Körpermaß und Gewicht nicht unter-, bzw. überschreiten. Das hat mit dem Anspruch an eine gewisse Optik zu tun, (wieso eigentlich? Eine Unproportionierte freundliche ist mir viel lieber als eine Perfekte arrogante), und damit, das wir uns in der Holzklasse befinden.
Die Gänge und Sitze sind so schmal, dass ich anfange, über meinen Hüftumfang nachzudenken, an den ich normalerweise keinen Gedanken verschwende. Davon abgelenkt werde ich von meinen Knien. Sie verschwinden im Polster der Reihe vor mir und erklären die zwei unbequemen Hubbel, die sich in meinen Rücken drücken.
Ich entsage einem Campari-Orange, mit dem ich mich sonst gerne auf den Urlaub einstimme. An Bord kostet nicht nur der Alkohol Geld. Ich bin froh, dass ich für Atemluft, Toilette und das zur Verfügung Stellen einer Schwimmweste nicht noch zusätzlich zur Kasse gebeten werde.
Wieso ist man bereit, auf jeglichen Bordservice und Komfort getrost zu verzichten, während an allen anderen Relikten aus der Vergangenheit eisern festgehalten wird?
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